Träume am Rande der Gesellschaft

Erstellt von Carola Schmitt |

In Andalusien unterwegs zu einem Dorf der Gitanos.

 

Heute fand ich in meinem Briefkasten einen Brief mit Stempel aus Sevilla! Zu meiner freudigen Überraschung schickte mir Alfonso ein Foto von unserem Fotowalk durch einen Ortsteil der Gitanos im Ort Alcalá de Guadaíra…

Als ich letztes Jahr mit Heike auf der Recherchereise in Sevilla war, lernten wir Alfonso de Terry, überzeugter Analog-Fotograf und Künstler kennen, ein besonnener und äusserst offener Sevillano, der uns einlud zu einer ganz besonderen Fototour…

Morgens um 8 Uhr ging es mit seinem alten Benz raus aus der Stadt und wir fuhren etwa 40 km zu diesem Ort am Berg, in dessen Hang die Gitanos leben. Alfonso erzählte, dass früher die Gitanos (Zigeuner) in richtigen Höhlen wohnten, in den Berg gehauene mehr oder weniger große Löcher mit Fenstern und Türen, manchmal kleinen Vorgärten. Die Ortsverwaltung legte Stromleitungen dort hin, und diese Behausungen wurden geduldet. Ich kannte das vom Sacromonte in Granada.

Die Geschichte der Gitanos in Andalusien geht auf das 15. Jahrhundert zurück, die Zeit der katholischen Rückeroberung Spaniens von den Mauren, als Roma erstmals nach Spanien kamen. Heute stehen sie, wie überall in Europa, am Rande der Gesellschaft, die Gitanos oder Calé, wie sie sich selbst nennen. von einer Eingliederung in die Gesellschaft, die auch Unterschiede anerkennt, ist man auch in Spanien noch weit entfernt...

Als wir früh morgens im Ort ankamen, stand die Sonne noch tief, wir parkten auf der Hochebene neben einer Kirche und gingen einen Trampelpfad unterhalb der Burg den Berg hinunter an den alten ausgedienten Höhlen vorbei. Heute wohnt hier kaum noch jemand, die Gemeinde hat die Gitanos in Sozialwohnungen gesteckt. Vorbei ging es an vielen ehemals bewohnten Höhlen, hier und da sah man noch Spuren von verlassener Wohnlichkeit.

Weiter unten kamen wir dann in das Viertel, wo die Gitanos heute wohnen. Die Gassen waren menschenleer, alles schien noch zu schlafen, hier und da bellte ein Hund und man hörte Kirchengeläut. Es war schon heiß am frühen Morgen, ein leichter, trockener Wind begleitete unsere Wanderung. Später ging dann schon mal das ein oder andere Fenster auf, oder man beobachtete uns vom Dach aus. Die Menschen wurden wach, erste Grüße und Beschnupperungen, wir begegneten Leuten auf den Straßen, "buenos dias!". Schnell sprach es sich herum, dass Fremde im Barrio sind. Das kommt wohl nicht so häufig vor. Die Neugierde war beidseitig, und wir erklärten woher wir kommen, was wir machen und durften sogar fotografieren. Con permiso!

Der Ausflug war beeindruckend. Diesen Menschen zu begegnen war eine Ehre und um so größer die Freude, dass sie uns teilhaben ließen in einem kleinen Ausschnitt ihres Alltags. Ein wirklich denkwürdiger Besuch in dieser immer mehr in Vergessenheit geratene Parallelgesellschaft...

An dieser Stelle möchte ich die Fotos, die Portraits, die Momentaufnahmen sprechen lassen, ich denke, sie erzählen besser meine Eindrücke, die weiter in meiner Erinnerung leben und mich nachhaltig bewegen.

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